Weite Schüsse im Jagdbetrieb

von Ing. Gerold Gissing

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„Weite Schüsse“
(ein Bericht von Ing. Gerold Gissing)
In meinem aktuellen Bericht geht es um weite Schüsse im Jagdbetrieb.
Der Grund warum ich diesen Bericht schreibe ist, dass weite Schüsse sehr oft als
„kein Problem“ dargestellt werden, daher möchte ich zu diesem sehr heiklen Thema
„sensibilisieren“! Wir Jägerinnen und Jäger haben es mit lebenden Individuen zu tun,
dementsprechend groß ist unsere Verantwortung gegenüber unserem Wild!
Unter gewissen Bedingungen kann man einen weiten Schuss, damit meine ich
Rehwild über 150 Meter, Gamswild über 200m und Rotwild über 250 Meter vertreten!
Vorweg möchte ich sagen, dass auch ich selbst schon öfter Wild jenseits von 300
Meter unter günstigen Bedingungen erlegt habe.
Einfach eine Standardwaffe herzunehmen und am „Ziemer“ des Stückes anzielen um
zu treffen reicht meist nicht aus, kann sein dass man trifft, kann auch nicht sein!

Warum, werden Sie jetzt fragen, man liest ja Testberichte wo auf weite Distanzen
getroffen wird, teilweise ist die Rede von 400 Metern und mehr!
Diese Testberichte geben zwar Aufschluss über die Präzision von Waffe und Optik,
man schießt jedoch auf Zielscheiben und die laufen ja auch nicht weg wenn man Sie
mit dem ersten Schuss 30 Zentimeter vom Zentrum entfernt trifft!
Nach dem 1 Schuss auf eine Scheibe kann man nachjustieren oder
Treffpunktverlagern, um in weiterer Folge mit einer guten Waffe/Optik/Munition
Kombination ordentliche Trefferbilder zu erzielen!
Auf der Jagd habe ich in der Regel nur 1 Schuss, der muss passen, 30cm vom Blatt
entfernt können in einer tierischen Katastrophe enden, (Weichschuss, Laufschuss
usw.) der beste Fall ist da noch wenn gefehlt wird!

Ich gehe nachfolgend auf eine Hochrasanzpatrone im Kaliber 300 Win.Mag.,
9,7gramm Geschossgewicht ein die immerhin eine V0 von ca. 980 m/s und eine E0
von ca. 4700 Joule hat! Nebenbei erwähnt ist diese Patrone eine meiner bevorzugten
Magnumpatronen!
Wussten Sie liebe Jägerinnen und Jäger,
-dass die genannte Patrone bei einer Seitenwindgeschwindigkeit von 15 km/h, das
ist leichter Wind, eine seitliche Abweichung von ca. 15-20 cm hat (bei 90 Grad
Windrichtung) .

-dass bei einem Schuss steil bergauf oder bergab (ca. 35 Grad) das Geschoss um
bis ca.15cm weniger auf 300 m fällt, das heißt eine Geschoss das normalerweise
25cm abfällt, fällt dann nur noch 10 cm.
-dass der Luftdruck eine Rolle bezüglich Gefälle des Geschosses spielt
-dass durch das „schiefe“ hineinschauen in das Zielfernrohr
(Paralaxenfehler)Trefferabweichungen von bis zu 15cm entstehen können
-dass die Munitions- und Waffenstreuung auf 300m in Summe ca. 10cm betragen
kann?
Dazu kommt noch die Auflage am Hochstand, meist wird lediglich auf der Brüstung
vorne aufgelegt, der Hinterschaft ist sehr oft ohne Auflage!
Bei einem interessanten Preisschießen in der Obersteiermark gibt es einen Bewerb
der genau mit dieser Auflage geschossen wird, Schiessentfernung 120m! Von
durchschnittlich 170 Teilnehmern schafften es nur ca. 15 Schützen einen Kreis von
5cm dreimal hintereinander zu treffen, hochgerechnet auf 300 Meter wäre dies eine
Schützenstreuung von ca. 15 cm, und das wohlgemerkt bei den besten Schützen!
Ich fasse nun noch einmal die Auswirkungen der Fehlerquellen zusammen:
-Streuung durch Seitenwind ca. 20 cm (leichter Wind)
-Streuung durch bergauf oder bergab Schuss ca. 15 cm
-Streuung durch Paralaxenfehler ca. 10 cm
-Streuung durch Munition und Waffe ca. 15 cm
-Streuung durch schlechte Auflage: ca. 15 cm
-Schützenstreuung ca. 15 cm
Macht in Summe ca. 90 cm Streuung (der schlechteste Fall), der Wildkörper eines
Hirsches hat ca. 55cm in der Höhe, sollte der Treffer tödlich sein braucht man viel
Glück. Einen Gams braucht man unter diesen Umständen mit Sicherheit nicht mehr
beschießen!

So, liebe Leser jetzt werden Sie vorerst wahrscheinlich sehr verunsichert und
erstaunt sein! Diese Angaben sind jedoch keine Meinung von mir, sondern messbare
Fakten!
Doch hier kommt die gute Nachricht:
Die meisten Fehler sind vom Schützen beeinflussbar!
Wie? Na dann fange ich mal an:

  • keinesfalls bei merkbarem Seitenwind auf große Distanz schießen
    -bei einem Winkelschuss können Sie folgende Werte als Faustregel nehmen (ab
    250m):
    bei 10 Grad x 0,8 (z.B. normal ist 20cm x 0,8 = nur 16 cm Gefälle des Geschosses)
    bei 20 Grad x 0,6
    bei 30 Grad x 0,4
  • Parallaxenfehler vermeiden eventuell Produkte mit Parallaxenausgleich verwenden
    (Swarovski Optik bietet in diesem Bereich sehr gute Optik an) oder wenigstens
    darauf achten dass man beim Zielen immer mittig durch das Zielfernrohr sieht
    Streukreisfehler mit Parallaxenausgleich nahezu 0.
  • Abstimmung der Munition auf die Waffe ( das sollte ein Waffenhändler oder
    Büchsenmacher der sich mit dieser Materie ernsthaft auseinander setzt für Sie
    erledigen) kann den Streukreis auf ca. ca. 5cm drücken,
  • Keinesfalls mit schlechter Auflage auf weite Distanzen schießen, Hochsitze so
    konzipieren dass am Vorderschaft und Hinterschaft aufgelegt werden kann
    (Verwendung eines Auflagebrettes für den Hinterschaft), so kann man diesen Fehler
    auf ca. 5cm Streuung verringern!
  • das Zielfernrohr sollte eine hohe Vergrößerung besitzen, mit 6facher Optik glaubt
    man zwar man ruhig zu sein, wenn man jedoch das gleiche Ziel mit 12 facher oder
    höherer Vergrößerung betrachtet, werden die Zielfehler sehr rasch sichtbar. Ist man
    nicht in der Lage das Fadenkreuz mit hoher Vergrößerung ruhig am Blatt zu halten
    sollte man aus Verantwortung gegenüber dem Wild von einem Schuss Abstand
    nehmen.
  • Was natürlich eine absolut entscheidende Rolle spielt, ist das Messen der
    Entfernung. In der Praxis hat sich gezeigt dass es sehr schwierig ist Entfernungen
    über 150 Meter richtig zu schätzen!
  • Ein weiterer, sehr wichtiger Punkt ist die Vertrautheit mit der Waffe, insbesondere
    mit dem Abzug. Es gibt Waffenmodelle ohne Stecher, das Abzuggewicht ist bei
    diesen Modellen aus Sicherheitsgründen höher. Bei so genannten Stecherabzügen,
    meist Rückstecher wird das Abzuggewicht reduziert da der Abzug durch betätigen
    des Stechers vorgespannt wird. Es genügt nach dem einstechen ein kurzes Antippen
    und der Schuss bricht. Geübte Schützen werden mit Abzügen die keinen Stecher
    haben kein allzu großes Problem haben! Das Abzuggewicht bei Direktabzügen
    beläuft sich in der Regel auf ca. 500 bis 1500 gramm, bei Stecherabzügen bewegt
    man sich im Bereich von ca. 60 bis 150 gramm! Beim Präzisionsschießen werden so
    gut wie ausschließlich Abzüge mit sehr geringem Abzuggewicht verwendet, da die
    Gefahr des „Verziehens“ durch zu hohe Druckausübung wegfällt!
  • Der letzte, ganz wichtiger Punkt ist üben, üben und noch mal üben!
    So, nun hätten wir die direkt beeinflussbare Streuung auf ca. 10 cm gedrückt. Der
    Lichteinfall in das Objektiv sowie Luftdruck sind schwer berechenbar. Die
    Schützenstreuung ist am Hochsitz trotz guter Auflage mit mindestens 5 cm zu
    bewerten. Geben wir nun noch mal ca. 10cm für diese 3 Faktoren dazu sind wir auf
    ca. 20cm Streuung damit ist es um einiges leichter einen Hirsch auf 300 m zu
    erlegen!
    Abschließend empfehle ich bei einem weiten Schuss ein der Distanz und der
    Wildart angepasstes Kaliber zu verwenden! Die mindeste Auftreffwucht ist
    jedoch auch im Jagdgesetz verankert!
    Ich hoffe dieser kleine Leitfaden hat Ihnen ein wenig weitergeholfen!
    Für diverse Beratungen stehe ich in meinem Geschäft sehr gerne zur Verfügung!
    Waidmannsheil,
    Ing. Gerold Gissing

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